Sonntag, 12. Juni 2016

Friedrich I. Barbarossa und die Päpste: Teil I – Der Eklat von Sutri


 
Friedrich I. Barbarossa küsst Papst Alexander III. die Füße, Francesco Salviati, entstanden im 16. Jahrhundert, http://www.zeno.org/Kunstwerke/B/Salviati,+Francesco%3A+Die+Vers%C3%B6hnung+zwischen+Papst+Alexander+III.+und+Friedrich+I.+Barbarossa+in+Venedig.
Dieses Bild zeigt die Aussöhnung Friedrich I. Barbarossas (um 1122-1190) mit Papst Alexander III. (um 1100-1181) nach dem fast 20 Jahre andauernden sogenannten "Alexandrinischen Schisma", dessen Entstehung durch eine ganze Reihe von Konflikten zwischen Kaiser und Kurie begünstigt wurde. Friedrich I. Barbarossa ist wohl eine der bekanntesten Gestalten des Mittelalters. Meist wird er als eine Art Lichtgestalt und Identitätsstifter in der deutschen Geschichte dargestellt und seine Herrschaft als äußerst erfolgreich nachgezeichnet. Dass es innerhalb seiner Regierung aber auch zu den oben bereits erwähnten heftigen Auseinandersetzungen mit dem Papst und der römischen Kurie kam, die schließlich in einer Kirchenspaltung endeten, wird dabei häufig übersehen. Weshalb sich die Fronten zwischen Papst und Kaiser so dermaßen verhärteten, dass es 1159 zu einer doppelten Papstwahl kam, bei der sich die Wunschkandidaten der kaiserlichen und der kurialen Partei unversöhnlich gegenüberstanden, soll in dieser kurz!-Reihe beleuchtet werden. Dabei soll immer wieder die Frage im Vordergrund stehen, inwiefern den verschiedenen Konflikten möglicherweise eine Provokation zugrunde lag und wann es sich schlicht um ein Missverständnis gehandelt haben könnte.
Beginnen wollen wir diese Reihe mit einer Betrachtung des ersten persönlichen Aufeinandertreffens Friedrich I. Barbarossas mit Papst Hadrian IV. (zwischen 1100 und 1120-1159) im italienischen Sutri. Dabei kam es im Rahmen der rituellen Ausführung des sogenannten „Strator- und Marschalldienstes“, auf den im Folgenden zunächst kurz eingegangen wird, zu einem ersten Eklat.
Nachdem Friedrich I. Barbarossa im Jahre 1152 seinem Onkel Konrad III. (1093-1152) auf dem römisch-deutschen Thron gefolgt war, strebte er anschließend auch die Kaiserwürde an. Die Krönung zum Kaiser sollte traditionell in Rom vom Papst durchgeführt werden. Dazu wurden im Vorfeld von Unterhändlern der päpstlichen und königlichen Seite die Bedingungen für eine Reise Barbarossas nach Rom und die dort geplante Krönung ausgehandelt. Im Spätherbst des Jahres 1154 erreichte der König schließlich Italien. Noch vor seinem Eintreffen in Rom war auch ein erstes persönliches Zusammentreffen mit Hadrian IV. in Sutri geplant. Derartige Treffen waren immer mit einer hohen Symbolik behaftet und wurden von diversen rituellen Handlungen begleitet, die bei im Vorfeld stattfindenden Verhandlungen genau festgelegt worden waren. Darunter waren beispielsweise der Friedenskuss als Zeichen der Eintracht und der Strator- und Marschalldienst als Ehrerbietung des Königs für die Apostel, als deren Stellvertreter der Papst fungierte. Bei letzterem Ritual sollte Friedrich I. Barbarossa das Pferd des heranreitenden Hadrian IV. zunächst ein Stück am Zügel führen (officium stratoris) und anschließend beim Absteigen den Steigbügel halten (officium marscalci). Diesen Dienst erwiesen die deutschen Könige den Päpsten bereits seit fränkischer Zeit. Trotz all der vorausgegangenen Gespräche und Planungen kam es bei dem Aufeinandertreffen jedoch zum Komplikationen im Zusammenhang mit der Ausführung des Strator- und Marschalldienstes. 
 
Dieses Fresko von 1246 zeigt, wie Kaiser Konstantin der Große (zwischen 270 und 288-337) den Stratordienst für Papst Silvester I. (335 gestorben) leistet, https://de.wikipedia.org/wiki/Santi_Quattro_Coronati#/media/File:00_Stirnwand_8.jpg.
Ausführliche Berichte des ersten Treffens zwischen Papst und König finden sich beispielsweise in Bosos Vita Hadrians IV. (1154-1178 entstanden, Teil des Liber Pontificalis) als auch in Helmold von Bosaus Slawenchronik (geschrieben um 1167). Zwar stimmen die Berichte der beiden nicht bis ins Detail überein, betrachtet man jedoch deren Schnittmenge, so kann man von folgendem Hergang ausgehen: Der König empfing den Papst in seinem Lager, indem er ihm entgegenkam. Dann führte er den zuvor vereinbarten Strator- und Marschalldienst in für den Papst unbefriedigender Weise aus, woraufhin der Papst ihm den Friedenskuss verweigerte und die beiden Parteien sich ohne dieses Zeichen des Vertrauens und der Eintracht zunächst wieder trennten. 

Betrachtet man die Beschreibung des geleisteten Dienstes in den beiden oben genannten Quellen genauer, so wird deutlich, dass Boso gar nicht genau darlegt, welches Problem die päpstliche Seite mit der Ausführung des Strator- und Marschalldienstes hatte. Er gibt lediglich an, Friedrich I. habe den Stratordienst nicht de more (der Sitte entsprechend) ausgeführt. Ausführlicher berichtet dagegen Helmold von Bosau über die Gründe des Papstes, den Friedenskuss zu verweigern:  Er sah die dem heiligen Petrus zustehende Ehrerbietung als missachtet an, da der König den rechten Steigbügel hätte halten sollen, aber den linken gehalten habe (beatus Petrus magis videtur inhonoratus; denique, cum dexteram deberet tenere strepam, tenuit sinistram). Es scheint hier also nicht so, als habe Friedrich I. Barbarossa den Stratordienst generell verweigert, sondern ihn viel eher nicht zur Zufriedenheit des Papstes und der anwesenden Kardinäle ausgeführt. Helmold liefert auch eine Rechtfertigung Barbarossas für die mangelhafte Ausführung. So soll er unterwürfig zu bedenken gegeben haben, dass er bislang wenig Übung darin gehabt habe, den Stratordienst auszuführen, da der Papst der Erste sei, dem er diese Gefälligkeit geleistet habe. In der Forschung wurde in diesem Zusammenhang oft von einer völligen Verweigerung des Dienstes durch Friedrich I. Barbarossa ausgegangen. Als denkbarer Grund dafür wird oft angeführt, dass dieser lehnrechtlich interpretiert werden könnte und so den König quasi als Lehnsmann unter den Papst gestellt hätte. Fraglich ist hier allerdings, weshalb Barbarossa der Ausführung dann zunächst zugestimmt hatte, um sie dann in einer öffentlichen Situation schließlich doch zu verweigern und so die Unstimmigkeiten zwischen den beiden Seiten offen zu Tage treten zu lassen.
Der Fortgang der Begegnung zeigt auch, dass Barbarossa durchaus bereit war, dem Papst Ehrerbietung zu erweisen, da er im weiteren Verlauf des Treffens vor ihm niederkniete und ihm die Füße küsste. Abgesehen davon hatte Friedrich I. Barbarossa eigentlich kein Interesse daran, den Papst zu brüskieren, strebte er doch danach, von ihm die Kaiserkrone zu erhalten. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass Friedrich I. Barbarossa den Dienst verweigerte oder absichtlich ungenügend ausführte, sondern eher denkbar, dass es sich um ein Versehen oder Missverständnis zwischen den beiden Seiten handelte. Vorstellbar ist, dass in den Verhandlungen schlicht nicht alle Details der Ausführung zur Genüge geklärt worden waren und so unterschiedliche Ansichten darüber zum Eklat führten.
Nun forderte der Papst eine erneute, korrekte Ausführung des Strator- und Marschalldienstes, ohne die er nicht bereit war, Barbarossa den Friedenskuss zu geben. Eine einfache Wiederholung des Dienstes nach der Aufforderung des Papstes und der Kardinäle lehnte der König jedoch ab. Denkbar ist, dass er großen Wert darauf legte, die Handlung freiwillig und nicht unter Zwang auszuführen, was eine Gefahr für Rang und Ansehen des zukünftigen Kaisers bedeutet hätte. Nun wurden zunächst ältere Große befragt, die bestätigten, dass auch Lothar III. einst den Dienst für den Papst ausgeführt hatte. Zudem erfolgte von päpstlicher Seite die Versicherung an Barbarossa, dass er den Dienst zu ehren der Apostel leiste und nicht zu Ehren des Papstes. Erst dann kam es zu einem zweiten, diesmal für die päpstliche Seite befriedigenden Versuch in dessen Folge Hadrian IV. Friedrich I. Barbarossa auch den ursprünglich geplanten Friedenskuss gab. Damit hatten die beiden Seiten ihre Einigkeit in einem von Ritualen durchzogenen Treffen nach außen hin demonstriert und die Kaiserkrönung konnte erfolgen.
Wie bereits in früheren Beiträgen dargestellt (z.B. zum Ritual des Sitzens), hatten symbolische und rituelle Handlungen im Mittelalter einen hohen Stellenwert. Wenn (ob versehentlich oder als bewusste Provokation) ein Detail nicht so war, wie es sein sollte, konnte dies die ganze Wirkung beeinträchtigen, zu offenen Konflikten führen und Dissens deutlich zu Tage treten lassen. Im Verhältnis von Friedrich I. Barbarossa zu Papst Hadrian IV. und der römischen Kurie war dies nur der Anfang einer Reihe von Auseinandersetzungen, von denen die wichtigsten in den folgenden Teilen dieser kurz!-Reihe vorgestellt werden.

Zum Weiterlesen:
DEUTLINGER, Roman, Sutri 1155: Mißverständnisse um ein Mißverständnis, in:
Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 60 (2004), S. 97–134.
GÖRICH, Knut, Friedrich Barbarossa, München 2011.
LAUDAGE, Johannes, Friedrich Barbarossa: (1152-1190), Regensburg 2009.

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